simulierte Temperaturverteilung in einer Eruptionsäule mit Aschenstrom

PD Dr. Ulrich Knittel:
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'Der Feuerberg'
von Stanley Williams und Fen Montaigne

2001, C.Bertelsmann Verlag
320 Seiten, 16 farbige Bildseiten
€ 22,00
ISBN 3-570-00540-2
Als Taschenbuch: Goldmann Verlag, ISBN 3442152097, 10,90 Euro
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In den Vereinigten Staaten erregten zwei Bücher einiges Aufsehen die - ungewöhnlich für einen Bestseller - einen Vulkanausbruch zum Themahaben.

Worum geht es? Im Januar 1993 kamen sechs Vulkanologen und 3 Touristen, die diese begleitet hatten, bei einem Ausbruch des Vulkans Galeras in den kolumbianischen Anden ums Leben. Pikanterweise führten die Wissenschaftler - als sie den Tod fanden - gerade Untersuchungen durch, welche die Vorhersage eines Ausbruchs auf eine sichere Basis stellen sollten. Berufsrisiko? Schicksal?

Um diese Fragen geht es in den Büchern. Das erste, "Surviving Galeras" stammt aus der Feder eines der Überlebenden und ist im August unter dem Titel 'Der Feuerberg' in deutscher Übersetzung bei C. Bertelsmann erschienen.

Prof. Stanley Williams, der bei dem Ausbruch sehr schwer verletzt wurde, tat sich mit dem Sachbuchautor Fen Montaigne zusammen und beschreibt die Ereignisse aus der Sicht des Leiters des tödlichen Trips in den Krater. Dabei gibt er eine minutiöse Schilderung der Ereignisse nach seiner Erinnerung, aber er lässt auch die anderen Beteiligten ausführlich zu Wort kommen.

Gleichsam als Rechtfertigung dafür, dass er immer wieder das Risiko auf sich nimmt, auf aktiven Vulkanen zu arbeiten, schildert Williams das Schicksal anderer Vulkanologen, die ihre Neugier das Leben kostete; angefangen von Plinius dem Älteren, der bei dem Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr. ums Leben kam, bis zu den Kraffts, die 1991 durch einen unerwartet heftigen Aschenstrom am Vulkan Unzen in Japan ums Leben kamen, als sie solch einen Strom aus der Nähe filmen wollten.

Dabei geht es Williams nicht zuletzt darum, sich in diesen illustren Kreis der 'wahren' Vulkanologen einzureihen, die nicht zuletzt "das erregende Erlebnis, in den Krater hinabzusteigen und einer so gewaltigen Naturkraft gegenüberzutreten" treibt. Schließlich gibt es auf unserem Planeten praktisch keine weißen Flecken mehr, und kaum eine andere Möglichkeit, "sich an einem Ort aufzuhalten, der mit gutem Grund kaum je von Menschen betreten wird". Damit wird deutlich, das der Wunsch, durch ein besseres Verständnis der Vorgänge in einem Vulkan die Menschen in seiner Umgebung besser vor Ausbrüchen warnen zu können, nur auf der rationalen Ebene Vulkanologen wie Williams vorwärtstreiben. Letztendlich jedoch die Neugier und das erhabene Gefühl, eine Arbeit zu tun, die mit mehr als nur einem Hauch von Abenteuer verbunden ist.

Damit ist nicht gesagt, das Abenteurertum im Vordergrund steht. Vulkanische Gase kann man nur dann untersuchen, wenn man sie in unmittelbarer Nähe ihres Austritts in die Atmosphäre beprobt, sonst ist die Kontamination durch die Luft zu groß. Mikrogravimetrische Untersuchungen, wie sie Geoff Brown, eines der Opfer des Galeras-Ausbruchs, vornahm, lassen sich nur auf dem Vulkan durchführen, wenn man Auskunft über das Fördersystem eines Vulkans erhalten will. So gesehen hatten die Vulkanologen, die bei dem Ausbruch ums Leben kamen wirklich gute Gründe dort zu sein, wo sie das Unglück ereilte; ganz im Gegensatz zu einigen Vulkanologen, die 1999 am Semeru in Indonesien ums Leben kamen, bzw. schwer verletzt wurden, die sich den Vulkan 'nur einmal aus der Nähe ansehen' wollten, jedoch keine Untersuchungen geplant hatten.

So gesehen können Vulkanologen besser begründen, warum sie gefährliche Orte aufsuchen, als etwa Bergsteiger, die gleichsam nur des 'kicks' wegen gefährliche Regionen erklettern. Die Frage, ob die wissenschaftliche Neugier das Risiko rechtfertigt, muss aber gestellt werden, zumal Williams gelegentlich Statements entschlüpfen, wie das, dass 'er sich nirgendwo so lebendig fühlt wie auf einem Vulkan' und dass die Vulkanologen, die sich mit den grauen, explosiven Vulkanen befassen, doch nur die eigentlichen 'echten' Vulkanologen sind.

Eine andere Frage, die vor allem in einem zweiten Buch ("No apparent Danger") diskutiert wird, ist die, ob der Ausbruch vorhersagbar gewesen wäre. Während sich größere Ausbrüche in der Regel Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate lang vorher ankündigen, ereignen sich kleinere Eruptionen, wie der, dem die Vulkanologen am Galeras zum Opfer fielen, praktisch ohne Vorankündigung. Ein berüchtigtes Beispiel ist der auch gegenwärtig aktive Mayon auf den Philippinen, der trotz genauer Überwachung und großer Erfahrung der philippinischen Vulkanologen mit dem Vulkan, in den letzten Jahren mehrfach so unvermittelt ausgebrochen ist, dass keine Vorwarnung der an den Hängen arbeitenden Bauern möglich war. So gesehen ist es glaubwürdig, wenn Williams feststellt, dass keine anormale Aktivität des Vulkans auf einen möglichen Ausbruch deutete. Und selbst Geophysiker, die vulkanische Beben untersuchen, sind sich in der Beurteilung dieser Frage im Falle des Galeras-Ausbruchs nicht einig, ob die wenigen Signale tatsächlich hätten Anlass zur Besorgnis sein sollen.

Daneben erfährt der Leser von den Autoren viel über aktuelle Forschung, berühmte und berüchtigte Vulkanausbrüche und die Bedeutung des Vulkanismus für die Erde und ihr Klima.

Die Übersetzung aus dem Englischen ist leider nicht immer ganz glücklich. Magma wird z.Bsp. selten als "teigig", sondern in der Regel als "zähflüssig" bezeichnet, der Mount Saint Helens hatte keine schwellende "Haut" sondern eine schwellende, ausgebeulte "Flanke", Island ist weniger eine "Erhebung", sondern eher eine "Anhäufung" von Vulkanen, ein Vulkan hat auch eher einen "Schlot" oder "Gipfelkrater" als eine "Mündung" und "basalt outpourings" werden sicher besser mit "Basaltausfluß", als mit "Basaltausschüttung" übersetzt. Die Reihe dieser Beispiele ließe sich fortsetzen.

Auch einige Fehler sind zu finden, auf S. 17 wird zum Beispiel eine gemessene Lavatemperatur mit 1775 Grad Celsius angegeben. So heiße Laven hat es in den letzten 1-2 Milliarden Jahren auf der Erde nicht mehr gegeben. Im Original wird die Temperatur mit 1979 Grad Fahrenheit angegeben und das sind 1077 Grad Celsius, die typische Temperatur eines Lavastroms.

Auf S. 103 wird behauptet, dass "die ältesten Gesteine der Erde, die in Grönland gefunden wurden", 4,5 Milliarden Jahre alt sind. So alte Gesteine gibt es auf der Erde jedoch nicht; die ältesten Gesteine, die bislang gefunden wurden, sind im Nordwesten von Kanada aufgeschlossen und sind nur wenig älter als 4 Milliarden Jahre alt; in der Antartis fanden sich nur wenig jüngere Gesteine und die alten Gesteine von Grönland nehmen mit 'nur' knapp 3,9 Milliarden Jahren den 3. Platz ein. (Noch älter sind Zirkone, die man in Australien fand, nämlich 4,2 Milliarden Jahre, vielleicht sogar 4,4 Milliarden Jahre, aber die finden sich eingeschlossen in deutlich jüngeren Gesteinen).

Etwas weiter unten wird angegeben, dass der Vulkanismus vor mindestens 2,2 Milliarden Jahren einsetzte, aber fast alle Geologen, die sich mit der Frühzeit der Erde beschäftigen gehen davon aus, dass es schon immer Vulkanismus auf der Erde gab, auch wenn die ältesten Förderprodukte nicht mehr zu finden sind. Wollen wir hoffen, dass dieser Abschnitt aus der Feder von Williams' Koautor stammt! Bleibt zu hoffen, dass zumindest einige dieser Probleme beim nächsten Nachdruck behoben werden bzw. durch Fußnoten richtig gestellt werden.

Trotz aller Kritik: Jeder, der sich nicht nur für Vulkane, sondern auch für die Menschen interessiert, die Vulkanologie betreiben, wird durch dieses Buch Einblicke in diese Wissenschaft erhalten, die bislang nur den unmittelbar Beteiligten möglich waren.

Dr. Ulrich Knittel