simulierte Temperaturverteilung in einer Eruptionsäule mit Aschenstrom

PD Dr. Ulrich Knittel:
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'Feuer im Meer - Der Santorin Vulkan, seine Naturgeschichte und die Atlantis Legenden'
von W.L. Friedrich

2004, Elsevier - Spektrum
276 Seiten, 37 s/w Abb., 190 farb. Abb.
18.64 Euro
ISBN3-8274-1582-9
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Dies ist ein sehr schönes Buch, das aus der Sicht eines Beteiligten die vielfältigen Aspekte der wissenschaftlichen Untersuchung eines Vulkans darstellt. Gegenstand ist die wunderschöne, sagenumwobene Insel Santorin, die am Südrand der ägäischen Inselwelt liegt.

Das Buch gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil werden die geologische und tektonische Stellung, sowie der Aufbau der Inselgruppe, die von mehreren Einzelvulkanen aufgebaut wird, beschrieben. Es folgt im zweiten Teil die Beschreibung des legendenumwobenen Ausbruchs während der Bronzezeit. Im dritten Teil wird über die bronzezeitlich Besiedlung der Insel berichtet und vor allem über die Hinweise, dass die Insel vor dem bronzezeitlichen Ausbruch kein Vulkankegel war, sondern bereits eine Caldera mit Zugang zum Meer. Und damit ergibt sich, dass die Insel der Beschreibung des sagenhaften Atlantis ähnelt. Das Schlusskapitel bring eine Beschreibung der historischen Aktivität in der Caldera, den Anzeichen für weitere Aktivität und der Veränderungen, die eine Vulkaninsel im Laufe der Zeit erlebt.

Der Autor setzt - bedingt durch seine wissenschaftlichen Interessen - ungewöhnliche Schwerpunkte in diesem Buch. So ist ein ganzer Abschnitt der Funden von Pflanzenfossilien gewidmet, die nicht zuletzt als Klimazeugen von Interesse sind. Ein weiterer Abschnitt ist der Frage "was lebte auf der Ringinsel in der Bronzezeit?" gewidmet.

Eines der interessantesten Kapitel des Buches ist der Rekonstruktion des Aussehens der Insel vor dem bronzezeitlichen Ausbruch gewidmet. Diese Untersuchungen zeigen nämlich, dass Santorin bereits vor dem bronzezeitlichen Ausbruch eine sichelförmige Insel war. Dieser Abschnitt enthält so viele interessante Details, wie es nur ein unmittelbar an der Erforschungsgeschichte Beteiligter "erzählen" kann. Aus den Ergebnissen der Rekonstruktion der Topographie der Insel ergeben sich neue Aspekte, die in Zusammenhang mit der Frage, ob denn Santorin das sagenumwobene Atlantis ist, von Interesse sind. W.L. Friedrich neigt dazu, die Frage mit einem vorsichtigen "ja" zu beantworten, ist aber als Wissenschaftler vorsichtig genug festzustellen, dass neue Erkenntnisse jederzeit diese Schlussfolgerung wieder zunichte machen können.

Das Buch liegt nun in einer zweiten, überarbeiteten Auflage vor. Der Text ist wiederum gut verständlich geschrieben und hervorragend mit Fotos und Schemazeichnungen illustriert. Im Vergleich zu der ersten Auflage ist die Zahl der Abbildungen noch erhöht worden, wobei praktisch alle Fotos der ersten Auflage übernommen wurden. Schemazeichnungen wurden zum Teil neu gezeichnet. Das Literaturverzeichnis enthält über 30 Titel, die erst nach dem Erscheinen der ersten Auflage publiziert wurden. Die wohl wichtigsten Ergänzungen betreffen Änderungen der Stratigraphie der Inseln (hier folgt Friedrich nun weitgehend der Darstellung britischer Forscher, die vor wenigen Jahren eine zusammenfassende Darstellung der geologischen Verhältnisse publiziert haben; leider wird nur ein 'Vorabbericht' zitiert, daher hier das komplette Zitat 'Druitt et al.: Santorini Volcano' - Geological Society Memoir 19, ISBN 1-86239-048-7). Außerdem werden die neuesten Ergebnisse (und Kontroversen) der Untersuchungen an Eiskernen dargestellt.

An vielen Stellen ist die Erforschungsgeschichte der Vulkaninsel ausführlich dargestellt, u.a. durch Referenzen auf die klassischen Studien von Fouqué was dieses Buch von einem nüchternem Sachbuch abhebt und den Leser gleichsam den Forschern über die Schulter gucken läßt. Wissenschaftliche Sachverhalte und Fachwörter werden in separaten Blöcken erklärt, so dass der Lesefluss nicht durch detaillierte Erklärungen unterbrochen wird. In gleicher Weise werden quot;Kostproben" aus wichtigen historischen Arbeiten angeboten.

Falls ein Kapitel kritisiert werden soll, dann das über die Bestimmung des Zeitpunkts der minoischen Eruption. Zu dieser Frage, die nach wie vor umstritten ist, hat der Autor bedeutende Beträge geleistet. Leider haben die im Text diskutierten Daten - wie schon in der ersten Auflage - nicht immer Eingang in die Abbildungen gefunden, in denen andere Daten dargestellt sind. In die Diskussion der neuesten Ergebnisse haben sich in diesem Kapitel zudem zwei neue Fehler eingeschlichen: Das Zitat 'Manning 2001) muss lauten 'Manning, 1999' und das Zitat 'Hammer und Mitarbeiter 1887' muss lauten 'Hammer und Mitarbeiter 1987'. Die anderen in der Besprechung der ersten Auflage monierten kleinen Fehler sind weitgehend korrigiert, ausgenommen die Feststellung, dass Skarn ein Gestein und kein Mineral ist (S. 34). Der an gleicher Stelle geäußerte Wunsch des Verfassers dieser Zeilen, in einer Neuauflage etwas mehr über die Petrographie der Vulkanite zu erfahren; wenn möglich illustriert durch ein paar Dünnschliffbilder, ist nicht in Erfüllung gegangen.
Alles in allem ist das Buch - wie schon die erste Auflage - jedem Besucher der Inseln wärmstens zu empfehlen. Besitzern der ersten Auflage ist der Kauf allerdings nur dann zu empfehlen, wenn sie sind entweder besonders große Fans der Insel sind, die vor allem die neuen Abbildungen zu würdigen wissen, oder wenn sie sind stark an den wichtigsten neuen Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten 10 Jahre interessiert sind (für einen 'normalen' Touristen ist die Neuordnung der Stratigraphie eher nebensächlich und in Bezug auf die neuesten Datierungsversuche stützen die neuen Ergebnisse die schon in der ersten Auflage diskutierten Daten, die auf die Zeit um 1645 v.Chr. als den Zeitpunkt der minoischen Eruption deuten).

Ulrich Knittel